Es war im Frühjahr 1984 als Norbert Remmert zur Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt als Zahnarzt in Liberia in der Chirurgischen Klinik in Göttingen-Weende hospitierte und dort Stefan Könsgen kennenlernte, der als Assistenzarzt in der Ausbildung zum Chirurgen stand. Neben Kneipengängen und Tennisspiel entdeckten die beiden ihre gemeinsame Leidenschaft für die Gitarre und verabredeten sich zum gemeinsamen Proben. Doch die Zeit verrinnt bekanntlich schnell, so dass bis zum Herbst nur wenige Treffen stattfanden und Norbert für zwei Jahre gen Afrika zog. Es blieb zunächst nur ein reger Briefwechsel und Norberts Honda 500 CB, mit der Stefan in den nächsten 2 Jahren die Landstraßen um Göttingen herum in Rennstrecken verwandelte.
Huh, es dauert manchmal lange, bis man wieder zueinander findet.
Stefan betätigte sich zwischendurch als Gitarrist in der Band „Dr. Schwierig und die Alleskönner.“ Es gab Auftritte auf dem Göttinger Altstadtfest, dem Göttinger Kunstmarkt und anderen Events. Norbert gründete, aus Afrika zurückgekehrt, erstmal eine eigene Zahnarztpraxis und begnügte sich musikalisch bestenfalls als Lagerfeuergitarrist auf Grillfeten. Familie und Beruf standen für Stefan und Norbert jetzt im Mittelpunkt, und das war gut so.
Mitte der 90er fingen die beiden wieder an, von gemeinsamen Musikprojekten zu träumen und probten, soweit es ging, regelmäßig. Zu dieser Zeit standen Stücke von Werner Lämmerhirt, Eric Clapton, James Taylor, den Beatles und Neil Young auf der Übungsliste. Die beiden fuhren jedes Jahr zum Intensivproben mit einem kleinen Segelboot in die schwedischen Schären und beschallten auf Felsen sitzend die Seenlandschaft mit Jimmy Hendrixs „Hey Joe“ und ähnlich alten Kamellen. Mücken und die Rauchschwaden des Lagerfeuers konnten dem Ehrgeiz nur wenig anhaben.
Im Mai 2000 mogelten sich die beiden als ehemalige VHS-Schüler von Herbert Wegener zur Schüler-Präsentation auf die Göttinger Apex-Bühne. Der erste Auftritt in der Öffentlichkeit! Es wurden nur drei kleine Stücke vorgetragen und man hatte noch keinen Namen. Aber alle sagten: „Ihr müsst auftreten“.
Im Jahr darauf schloss sich Lise Bjerre Stefan und Norbert an. Der Gesang wurde dreistimmig. Lise stammte aus Montreal/Kanada und wohnte in Hildesheim, arbeitete aber im Krankenhaus in Duderstadt, wo auch Stefan mittlerweile seit 1992 als Chirurg tätig war. Lise machte begeistert mit, zuerst am Keyboard, später auch am Bass. Ein echtes Allround-Talent…
Und irgendwann war dann der Name da: „Hot Docs“. So ähnlich wie die Würstchen. Drei Ärzte, heiß aufs gemeinsame Musizieren. Zunächst mit Straßenmusik, erst ein wenig schüchtern in den nächstgelegenen Kleinstädten, dann immer mutiger in Göttinger Fußgängerzonen und Straßencafes. Richtige Auftrittsangebote kamen schnell zustande. Um hier als vollwertige Ärzteband aufzuwarten, wurde auch noch ein Ärztedrummer gefunden. Christian Baumgärtel, niedergelassener Internist in Duderstadt, der mit Stefan von ’77 bis ’83 in Göttingen studiert hatte und ursprünglich aus Ohio/USA stammte, komplettierte die Ärzte-Band, und die Proben wurden bis an die Grenzen der Belastbarkeit ausgedehnt. Der Einsatz war immens. Lise, die kurz vorher einen Sohn bekommen hatte, kam regelmäßig mit dem Baby zu den Proben. Irgendwie funktionierte das eine Weile, mit Babysitter oder Babyphone. Denn es ging mächtig voran, und der erste Auftritt fand im Mai 2004 statt. Mit der engagierten Unterstützung von Gonzo Fiebiger gab es kurz darauf einen zweiten öffentlichen Auftritt im Nörgelbuff, und es folgte ein dritter Gig auf einem Abiball in Geismar. Und dann – war die Luft raus für diese komplizierte Bandzusammenstellung.
Seit dem Herbst 2004 waren Stefan und Norbert als Urzelle der Hot Docs wieder allein unterwegs, erweiterten ihr Repertoire und hatten viele Auftritte als Duo. Der Name Hot Docs bedeutete dann mehr als zuvor gitarrenlastige Interpretationen aller Stilrichtungen des Pops und Rocks. Die Drums wurden so nebenbei mit den Füßen betätigt, und wenn eine Gitarre ausreichte, spielte der andere auch mal den Bass. Insgesamt wurde der Sound dadurch transparenter. Bei größeren Auftritten wurde natürlich eine Anlage benutzt. Die beiden hatten aber zwischendurch eben so viel Spaß mit reiner Straßenmusik.
Im Frühjahr 2006 lernten Norbert und Stefan die beiden Medizinstudenten Florian Müllendorff und Matthias Lerche kennen, die gerade bei Stefan in der Klinik ihren chirurgischen Teil des Praktischen Jahres absolvierten. Anlässlich einer Betriebsfeier des Krankenhauses probten Stefan, Florian und Matthias ein paar Stücke ein und bekamen Lust auf weiteres gemeinsames Musizieren. Matthias, von Haus aus Gitarrist, verlegte sich jetzt auf den Bass und Florian, der als Schlagzeuger bereits ausgiebige Banderfahrung im Heavy Metal-Bereich hatte, schlug sanftere Töne auf Drums, Cajon und Perkussionsinstrumenten an. Bereits im April begleitete Matthias bei einem Auftritt in Cornpickers Hühnerstall den größten Teil der Stücke auf dem Bass.
Der erste gemeinsame Auftritt zu Viert fand im Sommer auf der Straße statt, und es folgte rasch ein Engagement im Café Kreuzberg Ende Juli sowie weitere Darbietungen unter freiem Himmel auf der Schillerwiese und in der Fußgängerzone im September. Im Herbst dann Auftritte im Irish Pub Göttingen, im Ambiente Duderstadt und natürlich noch mal in Cornpickers Hühnerstall in Mielenhausen.
2006 war in jeder Hinsicht ein sehr intensives Jahr für die Band. Ein Repertoire von fast 40 Songs wurde intensiv verfeinert, so dass nicht nur die Präsenz bei den öffentlichen Auftritten zunahm, sondern es am Ende auch noch möglich war, einen Teil der Songs im Übungskeller am Stück aufzunehmen, quasi wie live, und eine letzte CD mit Matthias zu machen. Denn es konnte eben leider nicht immer so weiter gehen, wie man es sich wünscht. Matthias musste Göttingen aus beruflichen Gründen verlassen, alle waren darüber sehr traurig.
„The times they are a-changin’“ (Bob Dylan)
Seit dem Frühjahr 2007 gab es aber einen neuen vierten Hot-Doc, und wir blieben eine echte Ärzteband. Nachdem Florian sein Examen bestanden hatte und in Duderstadt in der Inneren Abteilung seine erste Anstellung als Assistenzarzt gefunden hatte, war jetzt Borwin Bandelow, Arzt für Psychiatrie an der Uni Göttingen, hinzugestoßen, und es gab schon bald wieder gemeinsame Auftritte in Göttingen und Umgebung Borwin als ein echtes Göttinger Musikerurgestein, der schon seit den 70er-Jahre in diversen Bands mitwirkte und nach längerer Pause gerade erst seine alte Rödeljazzband aktiviert hatte, gab viele neue Impulse. Mehr tanzbare Musik, mehr Rock ’n‘ Roll. Die Zahl der Auftritte nahm zu, und das Repertoire wurde stetig erweitert. Und das alles trotz zum Teil erheblicher anderweitiger Belastungen der Bandmitglieder (Borwin schreibt dauernd ein neues Buch, Florian hechelt sich von einem Notarztdienst zum anderen, Stefan hat als Chefarzt nach Heiligenstadt gewechselt und Norbert ist jetzt 61 und unermüdlich damit beschäftigt, seine Freizeit zu organisieren.
Schon im Sommer 2008 hatten wir die Idee, unsere Gagen nicht nur zur Deckung unserer Unkosten oder für neues Equipment zu nutzen, sondern einem guten Zweck zuzuführen. Der erste Auftritt, bei dem wir das publik machten, lief hinsichtlich der Einnahmen nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten, was uns zunächst mal etwas den Enthusiasmus raubte. Doch ab Oktober 2010 haben wir das Vorhaben endgültig in die Tat umgesetzt und angefangen, die Einnahmen in Form von Gage, Eintritt und Publikumsbeitrag zum größten Teil dem Verein „Ärzte ohne Grenzen“ zu spenden.
Bis Ende 2018 waren es bereits über 10.000 €!
Im Laufe des Jahres 2011 kam Norbert zu dem Entschluß, sich von der Band zu lösen und sich auf andere musikalische Projekte zu stürzen. Während dieser Phase hielten wir schon Ausschau nach einem neuen Hot Doc und fanden ihn in Form einer Sie: Patricia Link, natürlich auch Ärztin und zwar in der Urologischen Abteilung im Eichsfeld-Klinikum, spielte ab dem Herbst 2011 mit den Hot Docs als Sängerin und Rhythmusgitarristin, so dass wir dann auch Auftritte zu fünft hatten, zuletzt im Januar 2012 im Irish Pub in Göttingen. Danach verabschiedete sich Norbert endgültig, so dass Stefan nun der einzige von der ursprünglichen Besetzung war.
Im Laufe des Jahres 2012 konnten wir David Paz, Kardiotechniker und sehr erfahrener und grandioser Sänger, Gitarrist und Perkussionist für unsere Band gewinnen. Vielen Göttingern ist der aus Groß Britannien stammende Musiker seit Jahren als Gründungs-Mitglied der „Panzerknacker“ und der „Bernd und Bernie-Band“ bekannt, und er und Borwin kennen sich seit Jahrzehnten.
Mit David hatten wir den ersten Auftritt im Februar 2013 im Irish Pub, zu dem Norbert als Gast kommentierte: „wenn wir früher auch so einen guten Sound gehabt haben, bin ich im Nachhinein noch Stolz darauf“. Er hatte sich als Bandmitglied, wie wir anderen auch, ja nie selbst im Publikum gehört, und gute Liveaufnahmen gab und gibt es nicht. Das erfüllte uns verbliebene Hot Docs mit großem Stolz und war ein Ansporn, intensiv weiter zu machen.
Seitdem sind nun 4 lange Jahre vergangen und einiges hat sich in der Zwischenzeit getan.
Florian ist Papa geworden und hat sich im Laufe des Jahres 2014 so langsam von der Band zurückgezogen, um sich um seine Familie zu kümmern. Schon vorher hatte Wolfgang Streich, auch ein Göttinger Musikerurgestein, der David und Borwin seit den 70iger Jahren kennt, häufig bei Auftritten ausgeholfen, wenn Florian verhindert war. Seit diesem Jahr ist der Medientechniker, Journalist und Betreiber einer Werbeagentur unser Drummer.
Und Patty wurde Mama, so dass auch sie neben Familie und Job als Urologin nicht auch noch die Strapazen des Musikerlebens mitmachen kann. Den letzten Auftritt mit ihr hatten wir im Café Ägidius in Hann. Münden im Frühjahr 2017.
Seitdem sind die Hot Docs mal wieder zu viert.
Aber es gibt ein neues Projekt: Norbert und Stefan wollen die Zeit, als sie zu zweit die Hot Docs repräsentierten (das war im Jahr 2005) wieder aufleben lassen. Seit dem Frühjahr 2017 proben sie zu zweit und stellen ein Programm aus den früher gespielten und neuen Coverversionen zusammen. Das Konzept beinhaltet auch etwas mehr Entertainment: Anekdoten und Informationen über die 60er Jahre gewürzt mit persönlichen Erinnerungen.
2020 verabschiedete sich – schweren Herzens – David von der Band. Stefan, Borwin und Wolfgang probten weiter zu dritt. Die Übungsabende zeigten, dass ein viertes Instrument wünschenswert wurde und so fragte Wolfgang Ende 2021 den mit ihm seit den 1980ern befreundeten Pianisten und Sänger Dag Beier, ob er denn die Band verstärken wolle. Er war sofort davon angetan und bereichert seitdem den Sound und die musikalische Bandbreite der Hot Docs.
Göttingen im Januar 2022